Dieses Semester haben wir eine Premiere: Wir führen unser Programm zusammen mit dem KHG-Orchester aus Freiburg auf. KHG meets KGH.
In Freiburgs weitläufiger Orchesterlandschaft steht das KHG-Orchester für ein hohes musikalisches Niveau, große Motivation und Spielfreude. Aufgeschlossenheit und Interesse für außergewöhnliche Projekte und Programme zeichnen die Musizierenden ebenso aus wie ein starker Zusammenhalt unter den Mitgliedern: Neben der Musik sind Geselligkeit und außermusikalische Events von großer Bedeutung.
Der KHG-Chor sang am Samstag in der Stiftskirche anspruchsvoll ambitioniertes Kammerchor-Repertoire
Tübingen. Neue Töne beim KHG-Chor. Im Oktober 2022 übernahm Jan Stoertzenbach den Chor der Katholischen Hochschulgemeinde. Beim ersten Auftritt mit Händels „Messias“ und dem Cherubini-Requiem zeigte sich bereits seine künstlerische Handschrift.
Zu Stoertzenbachs Vision von einem transparent verschlanken Chorklang gehört über das gewohnte, oratorisch großbesetzte, klangflächen Repertoire hinaus auch die Einstudierung von ambitionierten Kammerchor-Werken wie den doppelchörigen Bach-Motetten, die zu den anspruchsvollsten barocken Vokalwerken zählen. Das schult die sängerisch-„solistische“ Initiative, bildet den rund 70-stimmigen Chorklang insgesamt durch, verfeinert das Klangbild.
Über 1000 Zuhörer kamen am Samstag in die 3202. Stiftskirchen-Motette. Auf dem Programm Johann Sebastian Bach und Domenico Scarlatti,, beide im Epochen Jahr 1685 geboren (wie auch Händel). Eingangs die Bach-Motette „Komm, Jesu, komm“ BWV 229, gefolgt von der Begräbnis-Kantate „ich lasse Dich nicht, du segnest mich denn“ BWV 157. Das gesamte Programm wurde begleitet von einem Generalbass-Ensemble (Kristina Pfeffer, Truhenorgel; Felicitas Weissert, Cello; Jan Streeb Kontrabass).
Eine große Herausforderung waren die Paulus-Kommentare der Choral-Motette „Jesu, meine Freunde“ BWV 227: virtuose Vokal-Concerti und gefürchtete Zitterpartien mit filigranen, kontrapunktisch diffizilen und vollkommenen offen liegenden Stimmführungen in kleiner, hier rund 20 stimmiger Besetzung. Stoerzenbach war in seinem Element, mit Augenmerk auf klar artikulierte Text, Verständlichkeit und rhetorisch geführte barocke „Klangrede“: herausgehobene Kernworte und ausdeutende Färbungen.
Bei Scarlattis vierstimmigem Magnificat – ein zentrierender Ruhepol im Programm, kompakter und Harmonie-sinnlicher als die Bach-Motetten – entwickelte sich ein warmer, tragfähige Chor-Klang. Eindrücklich, lautmalerisch die „dispersit“ zerstreuten fertigen. Ruhevoll große Melodiebögen bis ins ausschwingende Amen.
Sehr beeindruckend zuletzt die Bach-Motette „Der Geist hilf unserer Schwachheit auf“ BWV 226, mit doppelchörig verzahnten Stereo- und Echo-Effekten, virtuos hin und her fliegende Koleraturen. Gekonnt die widerständig gegenläufig versetzten Rhythmen im imitatorischen Abschnitt „sondern der Geist selbst“ sowie die vierstimmige Chorfuge „Der aber die Herzen forschet“, die Zugkraft und sängerishes Selbstbewusstsein hatte. Würdevoll der Schlusschoral. Man darf gespannt sein, wie sich der KHG-Chorklang weiter verändert. (ach)
Der KHG-Chor mit Schönbergs Vermächtnis in der Tübinger Stiftskirche
Ein katholischer Chor in einer evangelischen Kirche mit dem Werk eines jüdischen Komponisten: Interreligiöse Kulturarbeit war angesagt beim Auftritt von KHG-Chor und Orchester Sinfonia 02 mit Schönbergs letzter Psalmvertonung in der Tübinger Stiftskirche. Ein ambitioniertes Unterfangen.
Von Jörg Riedlbauer
TÜBINGEN. Was für ein starkes Bekenntnis zur interreligiösen Kulturarbeit: Ein katholischer Chor führt in einer evangelischen Kirche die Psalm-Vertonung eines jüdischen Komponisten auf. Arnold Schönberg notierte wenige Monate vor seinem Tod 1951 als letzten musikalischen Gedanken den ergreifenden Dialog eines erlösungsbedürftigen Menschen mit Gott. So, wie dies auch die alttestamentarischen 150 Psalmen prägt. Schönberg plante damals einen ganzen Zyklus sogenannter »Moderner Psalmen« auf der Textgrundlage seiner persönlich angelegten Sammlung von »Gebeten und anderen Gesprächen mit und über Gott«. Vertonen konnte er jedoch einzig den ersten, dem er die Ordnungsnummer »151« voranstellte - Ausdruck seines Sendungsbewusstseins wie seiner tief im Glauben verwurzelten Kunst.
Diesem tief bewegenden Vermächtnis Schönbergs nahm sich nun in der Tübinger Stiftskirche der Chor der katholischen Hochschulgemeinde (KHG) mit dem Stuttgarter Orchester Sinfonia 02 an. Was für eine Aufgabe für ein nichtprofessionelles, wiewohl ambitioniertes Ensemble! Und was für ein unkonventioneller Beitrag zum 150. Geburtstag des Komponisten.
Souverän in der Zwölftonstruktur
Der Ambition folgte die Qualität. Der von Jan Stoertzenbach vorzüglich einstudierte KHG-Chor erwies sich souverän im Umgang mit der Zwölftonstruktur, sowohl linear im Verlauf der Einzelstimmen als auch im Zusammenklang. Hierbei gewann im Verbund mit dem Orchester der Dirigent mit seiner präzisen Zeichengebung und seiner klangmodellierenden Gestik dem Werk ein hohes Maß an Sinnlichkeit und Expressivität ab.
Überdies fesselte Sebastian Walser als Sprecher die Aufmerksamkeit des Publikums. Der international konzertierende junge Bariton war für die Umsetzung von Schönbergs Prinzip einer »Sprechmelodie« ideal besetzt. Diese verlangt die Musikalität eines Sängers wie die Deklamationsschärfe eines Rezitators. Die Sprechstimme gleitet dabei zwischen den vorgegebenen Noten hin und her, ohne sie zu singen, muss jedoch den Wortrhythmus genauestens einhalten. Was Walser sehr eindringlich gelang.
Klangsinnliches Requiem
Auch die beiden weiteren Werke kamen aus dem Raritätenkabinett: Brahms' »Schicksalslied« auf einen Text von Hölderlin und das c-Moll-Requiem von Luigi Cherubini. Dieser chorsymphonische Koloss entfaltete in der Stiftskirche seine ganze Schönheit. Stoertzenbach nahm sich hochsensibel und mit spürbarer Leidenschaft der Partitur an, die mit ihrer Instrumentation bereits auf Berlioz und dessen Klangreize weist. Der KHG-Chor erwies sich als perfekter Textgestalter. Die einzelnen Stimmgruppen waren zudem bestens in das Orchestergefüge eingebunden. Mit kontrastfreudiger Ausdrucksgestaltung entfachte die Wiedergabe auf spannungsreiche Weise das frühromantische Feuer der Komposition, sei es im dramatisch akzentuierten »Dies irae«, im zartstimmigen »Pie Jesus« oder im geradezu schwelgerischen Offertorium.
Alleine das Durchhaltevermögen von KHG-Chor und Sinfonia 02-Orchester ist zu bewundern, nach zwei solch anspruchsvollen, zugleich kräftezehrenden Werken noch das selten zu hörende »Schicksalslied« von Brahms anzuschließen. Es gelang ihnen ergreifend bis zum sinfonischen Nachspiel. Zuvor wandelten die Soprane wahrhaft »droben im Licht«, bereiteten ihnen die Bässe »weichen Boden« und woben die Alti und Tenöre ihre Mittelstimmen zur Harmonie der »glänzenden Götterlüfte«, wie dies alles von Hölderlins Text vorgegeben ist. Sehr erfreulich, wie bei diesem Konzert Repertoirewert und künstlerische Qualität zusammenkamen. (GEA)
"Arnold Schönbergs Moderner Psalm Op.50c ist das letzte Werk Arnold Schönbergs, an dem er bis unmittelbar vor seinem Tod arbeitete...[und darüber vertarb?]", so beginnt schon unser Begleittext zum Programm. Wir gehen aber davon aus, dass Sie beim Zuhören nicht in Gefahr schweben ;-)
Nebenwirkungen können sich aber schon einstellen. Bei uns wärend der Proben kommt es regelmäßig zu Orientierungslosigleit und vergeblicher Tonsuche. In seltenen Fällen zu Erkenntnis, vereinzelt Heiterkeit. Kann Schönberg nicht mal eine einzige Phrase auf der Tonika enden lassen? Und Schönberg so: "Nö".
Vier Tage Schweiz mit Singen und Freizeit und am Ende steht ein Programm.
Von Do. 31.08.2023 bis So. 03.09.2023 zog es einige Sänger, Sängerinnen und Alumni in die Schweiz. In Linthal im Kanton Glarus mieteten wir uns in eine rustikale Berghütte ein, abgeschieden auf halber Höhe zum Gipfel des Restibergs.
Wir hatten als Selbstversorger alles dabei und planten das Gepäck schweizerisch per Lastenseibahn auf die Hütte zu bringen; die leider kaputt war. Über gewundene Wege brachten wir dann die Lasten mittels zweier abenteuerlicher Autofahrer zur Hütte. Weniger gewunden war da für den Rest der Fußweg zur Hütte. Eher so direkt nach oben, nein nicht den Weg, da rauf durch das Gebüsch. Na, wir sind angekommen.
Die Hütte ist schön gelegen mit Aussicht auf den Vorder Ortstock (2690m), Matratzenlager, Mehrbettzimmer, Waschräume, Gesellschaftsraum und eine Küche mit Hexe. Die Hexe war unser ein und alles. Ein klassischer Holzherd, der zudem die Heizung und den Boiler zu versorgen hatte. Ohne "Feuerwacht" kein Kochen oder warm Wasser.
Geprobt haben wir vormittags und nach dem Abendessen. Der Raum war ähnlich "knallig" wie Bad Urach, erst gegen Ende hatten wir es im Griff uns nicht gegenseitig zu übertönen. Wir merkten rasch, daß Jesu meine Freude und Sprüche von Leben und Tod kein Spaziergang für ein Wochenende sind. Seien es die Koleraturen bei Bach oder die Zählarbeit bei Lechner. Tolle Werke, aber keine Selbstläufer. Dennoch haben wir es geschafft uns die Noten drauf zu schaffen. Noch ein oder zwei Mal feilen, dann Konzert.
Und die Berge und so? Freitag und Samstag fanden sich verschiedene Wandergruppen zusammen die Landschaft zu erkunden. Ob Gipfeltouren oder Wasserfall, es war für jede/n etwas dabei. Nur mal eben tief hinunter ins Dorf zum Bäcker, das wollte wohl niemand ;-) Aber wozu auch, wir hatten genug dabei. Wirklich genug. Der Nomen Restiberg war unser Omen. Nun, das sind Erfahrungen für das nächste Mal auf dem Restiberg oder wo es uns auch immer hinziehen wird.
Aufführug als Messe mit Konzertausklang am 15.10.2023 in St. Petrus in Lustnau im Anschluss an die 11h-Messe.
Im Wintersemester 2023/-24 setzen wir uns in unserem Programm eingehend mit den Begriffen Göttlichkeit, Tod und Schicksal auseinander, die bei allen drei Werken thematisch im Zentrum stehen:
- Arnold Schönberg, Moderner Psalm Op.50c
- Luigi Cherubini, Requiem c-moll
- Johannes Brahms, Schicksalslied
Arnold Schönbergs Moderner Psalm Op.50c ist das letzte Werk Arnold Schönbergs, an dem er bis unmittelbar vor seinem Tod arbeitete. Die Vollendung des Werks vor seinem Tod gelang ihm nicht mehr, sodass das Werk nur als Fragment erhalten ist. Es basiert auf einem von Schönberg selbst geschriebenen Text. Dieser ist Teil von 16 „Modernen Psalmen“, Schönbergs religiöse Gedanken in Form von Ansprachen an und Diskurs über Gott. An diesen Texten arbeitete Schönberg bis zum 3. Juli 1951, 10 Tage vor seinem Tod. Zur Vertonung kam nur der erste dieser Texte. Musikalisch blieb Schönberg auch in seinem letzten Werk, besetzt mit Chor, Orchester und einem Sprecher, der Zwölftonmethode treu.
Cherubinis Requiem c-moll ist wohl eine der bekanntesten Kompositionen des italienischen, jedoch in Frankreich zu Popularität gekommenen Komponisten. Es entstand 1816 im Auftrag des nach Napoleons endgültiger Niederlage an die Macht gekommenen Königs Ludwig XVIII. Es sollte seinem 23 Jahre zuvor hingerichteten Bruder Ludwig XVI. gedenken. Nach seiner Uraufführung gewann das Requiem Cherubinis in Europa rasch an Popularität und wurde von namhaftesten Komponisten wie Beethoven und Berlioz in höchsten Tönen gelobt. Sogar bei Beethovens Beisetzung in Wien im Jahre 1827 kam es zur Aufführung. Musikalisch fällt das Requiem durch den Verzicht auf Solostimmen auf, einzig der Chor bleibt in klarer Tonsprache der Textvermittler. Auffällig ist außerdem Cherubinis Verzicht auf helle Instrumentalfarben – die Flöten sind völlig ausgespart und andere helle Blasinstrumente reduziert, es dominieren dunklere Streicherstimmen.
Johannes Brahms Schicksalslied basiert auf dem Gedicht „Hyperions Schicksalslied“ aus dem von Friedrich Hölderlin stammenden zweiten Band des Brief-Romans „Hyperion oder der Eremit in Griechenland“. In ihm klagt Hyperion die Götter an, die „droben im Licht auf weichem Boden“ wandelten, während den Menschen gegeben ist „auf keiner Stätte zu ruhn. Es schwinden, es fallen die leidenden Menschen wie Wasser von Klippe zu Klippe geworfen jahrlang ins Ungewisse hinab“. Erzählungen zu Folge soll Brahms kurz vor einem Ausflug mit Bekannten nach Wilhelmshaven auf dieses Gedicht aufmerksam geworden sein. Den Ausflug ans Meer verbrachte er damit, stundenlang in weiter Entfernung am Meer zu sitzen und an den ersten Entwürfen seines „Schicksalslieds“ zu schreiben. Dabei entstand eine von Brahms ausdrucksstärksten chorsinfonischen Kompositionen.